Festschrift 10 Jahre Abellio Rail NRW 2005 - 2015



Festschrift "10 Jahre Abellio Rail NRW 2005 – 2015" 

Aufgabe: Texte, Redaktion und Lektorat

Umfang: 166 Seiten

Auftraggeber: Abellio Rail NRW GmbH, Hagen

Gestaltung: Klein und Neumann KommunikationsDesign, Iserlohn

Textauszug:

 

Ronald R. F. Lünser

Gespräch mit dem Geschäftsführer der Abellio Rail NRW

 

Er ist der Mann, der die Abellio Rail NRW GmbH seit fast neun Jahren als Geschäftsführer denkt und lenkt. Der das private Eisenbahnunternehmen seitdem nicht nur von einem kaum 20 Mitarbeiter zählenden Team zu einem permanent wachsenden und aktuell 250 Mann starken Unternehmen entwickelt hat, sondern der darüber hinaus selbst leidenschaftlicher Eisenbahner ist und mit dieser Begeisterung auch seine Mitarbeiter ansteckt. Ronald R. F. Lünser startete Mitte der 1980iger Jahre mit einer technischen Laufbahnausbildung im Hauptdienstzweig Maschinenwirtschaft und Fahrzeugausbesserung bei der Deutschen Reichsbahn im Bahnbetriebswerk Brandenburg, war dort Lokführer im Güter- und Personenverkehr und studierte berufsbegleitend Schienenfahrzeugtechnik an der Betriebsakademie der Reichsbahn in Magdeburg. Im April 1991 wechselte der ehemalige Reichsbahn-Hauptsekretär seinen Lebensmittelpunkt, zog mit der Familie nach Dortmund und arbeitete in verschiedenen Funktionen zunächst bei der Dortmunder Eisenbahn und später bei der Veolia Cargo Deutschland. Berufsbegleitend studierte er Anfang der 2000er Jahre Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an der Fachhochschule für Ökonomie und Management in Essen und machte 2006 noch ein Examen zum Eisenbahnbetriebsleiter, bevor er schließlich die Führung bei Abellio Rail NRW übernahm. Wir trafen Herrn Lünser bei sich zu Hause in Holzwickede, wo er eine wahre Schatzkammer mit hunderten Sammlungsstücken wie Handlampen, Notbremsen, Werkzeugen oder Dokumenten beherbergt, die teils über hundert Jahre alt sind.

 

Herr Lünser, Abellio feiert dieses Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?

Zunächst sind das zehn Jahre, die rasend schnell vergangen sind und in denen enorm viel im Unternehmen und in der Branche passiert ist. Für mich persönlich bedeutet das jetzt auslaufende, erste Unternehmensjahrzehnt einerseits den Abschluss einer Erfolgsgeschichte, die vor zehn Jahren mit einem Minimum an Ressourcen begann und die sich heute in der deutschen SPNV-Branche sehen lassen kann. Andererseits bedeutet es aber auch, diesen Erfolg nun gemeinsam in das nächste Unternehmensjahrzehnt zu übertragen und auszubauen. Wir haben allen Grund, auf unsere Leistungen stolz zu sein, aber wir haben keine Zeit uns auszuruhen.

Was ist Ihnen aus der Zeit, seit Sie im Februar 2007 als Geschäftsführer zu Abellio kamen und das junge Unternehmen mit zwei Linien buchstäblich in den Kinderschuhen steckte, besonders in Erinnerung geblieben?

In besonderer Erinnerung habe ich noch meine ersten Arbeitstage, als ich im Februar 2007 zu Abellio kam. Denn für mich stellte sich sehr schnell heraus, dass die Gründer der Abellio zwar konkrete Ideen und sehr interessante Visionen zu einer vernetzten Mobilität

entwickelt hatten, dass aber die notwendige Basis lediglich im Abellio-Busgeschäft vorhanden war. Im Abellio-Eisenbahngeschäft fehlte diese erforderliche Basis größtenteils sowohl für das Bestandsgeschäft als auch für das angestrebte weitere Wachstum. Denn wenn ich mich zurückerinnere, dann bestand der Eisenbahnbetrieb Anfang 2007 lediglich aus 17 Triebfahrzeugführern und zwei Verwaltungsmitarbeitern. Die Abellio Rail NRW hatte damals keinen eigenen Betriebsstandort, keine eigene Leitstelle, keine eigene Kundenbetreuung,

keine eigene Instandhaltung und auch keinen eigenen Finanzbereich und niemanden, der sich um Tarif und Vertrieb kümmerte. Diese Eisenbahn-Kernkompetenzen wurden von unterschiedlichen Dienstleistern eingekauft und irgendwie hat das auch funktioniert. Auf Dauer – und das war meine feste Überzeugung – kann dieses Modell aber nicht erfolgreich sein. Insofern hieß es für mich schon in den ersten Tagen: Ärmel hochkrempeln, Strukturen und Kernkompetenzen aufbauen, um die Visionen der Abellio-Gründer Wirklichkeit werden zu

lassen. Ich erinnere mich, dass diese Start-up-Phase zeitweise enorm stressig war, von viel Improvisation getragen wurde, aber auch viel Spaß gemacht hat. Und die ersten großen Herausforderungen waren, die richtigen Menschen dafür zu finden, die Menschen für diese Aufgaben zu begeistern und bei unseren Aufgabenträgern, die uns mit der Verkehrsleistung beauftragt haben, für Vertrauen zu werben, dass uns das gelingen wird, und zwar auch mit guter Qualität.

Abellio Rail NRW hat sich unter Ihrer Führung zu einem der Unternehmen mit der höchsten

Kundenzufriedenheit in NRW entwickelt. Wie haben Sie das gemacht?

Ich sag’s mal so: Erfolg fällt nicht vom Himmel, sondern Erfolg wird von Menschen gemacht. Also geben Sie den Menschen eine Aufgabe, ermutigen Sie die Menschen, eigene Entscheidungen zu treffen, und gestehen Sie ihnen auch zu, Fehler machen zu dürfen. Dabei ließ ich mich immer von einem Prinzip leiten, nämlich: Die Summe aller Reinfälle ist gleich Erfahrung und die Summe aller richtigen Entscheidungen ist gleich Erfolg und das eine bedingt das andere. Hinzu kommt, dass ich von Beginn an versucht habe zu vermitteln, dass eine erfolgreiche Eisenbahn nicht etwa eine Ansammlung von individuellen Experten ist, sondern vielmehr eine eingeschworene Gemeinschaft, in deren Mittelpunkt das „Wir“ steht. Wir alle zusammen sind Abellio, wir alle zusammen sind dem Erfolg verpflichtet. Wichtig war, denke ich, das Verständnis dafür zu wecken, dass wir anders sein wollen als andere Eisenbahnverkehrsunternehmen, insbesondere als die ehemaligen Staatsbahnen. Denn das, was wir machen, tun wir nicht für uns selbst. Der Kunde ist kein Transportfall, sondern steht in der Leistung, die wir erbringen, immer und zuallererst im Fokus. Daran werden wir gemessen, und das jeden Tag aufs Neue. Und wenn dann Erfolg und Leistung sichtbar werden durch hervorragende Qualitätsergebnisse, ist es ein gutes Gefühl für alle, die daran mitgewirkt haben, und es ist zugleich selbstmotivierend, da weiterzumachen. Also Menschen für eine Aufgabe zu begeistern – das ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Diese Motivation ist etwas, das Sie selbst sehr stark verkörpern. Ja, und das liegt daran, dass ich selbst lange genug bei Staatsbahn und Konzerngesellschaften gearbeitet habe, wo Fracht und Kunde oft nur als Transportfall angesehen wurden. Wo Verkehr häufig um seiner selbst willen gemacht wurde, mit wenig Bezug zu den Bedürfnissen des Kunden. Ich war der Überzeugung, das kann man besser machen, und so war meine Motivation, dieses Prinzip einfach auf den Kopf zu stellen: Also wir machen und gestalten Verkehr nach den Bedürfnissen des Kunden. Ich fahre selbst viel mit der Bahn, bin also auch Fahrgast oder, wenn Sie so wollen, Kunde. Und da ist die Frage naheliegend, was erwartet der Kunde

eigentlich, wenn er die Eisenbahn als Verkehrsmittel nutzt. Er will pünktlich reisen, will komfortabel reisen, will informiert werden, will ein Gefühl der Sicherheit haben, will verlässliche Reiseauskünfte, er will in sauberen Zügen reisen mit Klimaanlagen und Toiletten, die funktionieren, und er möchte serviceorientierte und freundliche Mitarbeiter an Bord haben. Das alles gilt es, in den Mittelpunkt zu stellen und zu managen, denn das ist es, worauf es ankommt – neben dem wirtschaftlichen Erfolg selbstverständlich. Dafür kann ich mich begeistern, denn das ist eine lohnenswerte Aufgabe. Und wenn das Team hier mitzieht, hat man schon viel erreicht. Dann setzt sich diese positive Einstellung auch in der täglichen Arbeit fort, übrigens auch dann, wenn es mal unschöne Momente im Job gibt.